Jürgen Weichardt, aus dem Katalog "Wolfgang Fräger - Druckgrafik", 1983
Ausgang der künstlerischen Aktivität Wolfgang Frägers ist das Zeichnen gewesen, während der Lehre, während der Arbeit auf der Zeche, während des Krieges in Italien und Rußland, während der Kriegsgefangenschaft. Doch ist der Künstler mit diesem Medium bisher kaum vor die Öffentlichkeit getreten; viele Arbeiten wurden zerstört, sofern sie ohnehin nicht mehr als Fingerübungen waren. Doch hatten die früheren Zeichnereien den Weg zur Dortmunder Werkkunstschule geebnet und sogar ein Stipendium verursacht, das selbst nach dem Kriege 1947 noch Gültigkeit hatte.
Dort studierte Wolfgang Fräger nicht so sehr das Zeichnen, sondern die Druckgrafik. Der Umgang mit Bleistift, Kohle und Papier, so scheint es, war ihm zu einfach, darum wählte er die größere Schwierigkeit, die Druckgrafik. Sie gab ihm Druck zu arbeiten – an sich, an seinen Bildideen, an den verschiedenen Werkstoffen.
Nebenbei ist zu bemerken, dass Wolfgang Fräger einer Generation angehört, der das problemlose Vorhandensein von Material nicht selbstverständlich war; eine Generation, die wusste, wie kostbar Materialien zum Drucken sein konnten.
[...]
Das grafische Werk von Wolfgang Fräger ist sehr vielgestaltig; der Künstler hat sich wohl in fast allen technischen Bereichen erprobt. So bietet sich in der Folge eine Darstellung an, die primär von diesen Techniken ausgeht, von denen Wolfgang Fräger auch am häufigsten spricht, aber dabei auch die Inhalte berücksichtigt, die der Künstler als Aussage-Beitrag in der jeweils aktuellen Diskussion verstanden wissen will.
Für jeden Fall gilt eine spezifische Arbeitsweise: Wolfgang Fräger schafft in Schüben und Phasen. Wenn ihn eine technische oder inhaltliche Aufgabe gepackt hat, dann ruht er nicht, bis der erste Druck vollzogen ist. Darauf folgen Varianten und Erweiterungen, doch seltener und mit Unbehagen eigentlich eine Auflage des abgeschlossenen grafischen Motivs. Bis 1952 hat Fräger keine Auflagen gedruckt, nur zwei, drei Blätter von der Holzplatte abgezogen: Hier gilt, dass die Multiplizierung des Gefundenen eine dumpfe Arbeit ist, die Wolfgang Fräger eigentlich nicht liegt.
Die frühen Holzschnitte
Noch während der [...] Studien- oder Studentenzeit hat sich der Künstler mit zwei Techniken
beschäftigt, nebenbei mit der Lithografie, hauptsächlich mit dem Holzschnitt. [...]
1946 entsteht als einer der ersten grafischen Zyklen eine Holzschnittfolge zum Bauernkrieg,
in lockerer Verwandtschaft dazu Szenen des menschlichen Elends. Natürlich verarbeitet Fräger damit auf eine indirekte, aber gehobene Weise seine Erlebnisse des Krieges und der
Gefangenschaft;[...]
Es mag an der zeichnerischen Wurzel der Kunst Frägers gelegen haben, daß ihn beim
Holzschnitt insbesondere die Linienführung nicht zufriedenstellte. Schon 1950 begann er mit
der Untersuchung neuer technischer Möglichkeiten beim Holzschnitt, wobei er im Auge hatte,
auch die Ausdrucksmittel zu erweitern.
So kam es zu der eigenartigen Umkehr des üblichen Holzschnittprozesses. Nun
werden nicht mehr die Stege, die stehengebliebenen Partien eingefärbt, sondern die
geschnittenen Gräben und Rillen. Nun konnte das aus dem Holz herausgeholt werden, was der
Künstler eingezeichnet, eingeschnitten hatte.[...]
Wolfgang Fräger hat diese Technik des Holztiefdruckes an einer Reihe von Kopf- und
Tiermotiven erprobt.
Radierungen/Lithografien
Für jedes Thema die angemessene Technik - diesen Grundsatz hat Wolfgang Fräger wiederholt geäußert und sich natürlich natürlich auch daran gehalten. Für ihn ist die Radierung nicht die Technik des expressionistischen Aufschreis, die harten Blöcke und Konturen des Holzschnitts sind dafür besser geeignet, auch wenn der Künstler manchmal die erzählerischen Momente im Holzschnitt so detailliert und realistisch hervorbringt, daß man solche Arbeiten sich auch als Radierungen vorstellen könnte. [...]
Die ersten zusammenhängenden Blattfolgen in der Radierung setzen sich inhaltlich mit dem Bergmanns-Beruf auseinander. Die Dunkelheit des unterirdischen, die Knappheit des Lichtes, aber auf der anderen Seite auch die Körperhaftigkeit der Bergleute, ihre Kraft, ihr technisches Gerät, ihre angestrengte Ausdruckhaftigkeit, sind Motive der frühen Radierungen. [...]
Das Blatt "Halden" von 1955 fixiert eine Zwischenposition, denn hier kommen erstmals landschaftliche Bereiche ins Bild, wenn auch die Landschaft der Bergarbeiterwelt. Der Kontrast zwischen den schwarzen Flächen - den Halden - und den feingliederigeren Fördertürmen bestimmt diese Komposition, wobei dem Künstler vielleicht unbewußt sogar eine phantastische, surrealistische Andeutung gelungen ist durch die Räder im Oberbau der FÖrdertürme, die wie Augen wirken, und durch die Halden, die zu Flügeln der Fördertürme und diese damit zu Insekten zu werden scheinen. Danach kehrt Fräger zu einfacheren Darstellungen zurück.
Ein Stipendium der Aldegrever Gesellschaft 1958 verpflichtet ihn, die Arbeitswelt der Bergleute künstlerisch zu untersuchen. Entstanden sind viele, relativ abstrakte Kompositionen, in denen ein Detail in den Mittelpunkt gerückt wird. Doch immer bleibt das Motiv dem
Eingeweihten und dem phantasiebegabten Rezipienten verständlich. Wobei natürlich auch gesagt werden muß, das die Komposition ohne inhaltliche Bedeutung schon kraftvoll, reizvoll und gelungen ist.
Text: Jürgen Weichardt, aus dem Katalog
"Wolfgang Fräger - Druckgrafik", 1983
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